SCHUTZGELD

#Kollateral-Diskriminierung..? Ouch. Ein ganz heißes Eisen, das ZEIT-Autor Bernd Ulrich da anpackt. Etwas gutzuheißen, das mit „Kollateral-” beginnt, zieht automatisch Ärger von links nach sich, weil nach dem Bindestrich immer etwas Unlinkes steht.

Niemals ist die Rede von Kollateral-Abrüstung oder Kollateral-Vermögensausgleich. Die Schäden, die Kriege und Krisen weltweit anrichten, sind einfach noch nicht groß genug, um so weit in unsere Sprache und unser Bewusstsein zu dringen.

Hingegen hört man vom Kollateral-Sozialkahlschlag namens Agenda2010, der Kollateral-Nichtgleichstellung Homosexueller (u.a. wegen nicht näher definierter „Bedenken” der Kanzlerin), der Kollateral-Totalüberwachung durch die Geheimdienste…

Es fallen einem zu viele Dinge ein, die wir hinzunehmen haben, damit kein noch größeres Unglück geschieht. Schutzgeld, damit nicht eines schrecklichen Tages das Lokal in Trümmern liegt, wie sie uns mit ihrem fiesesten Grinsen erklären – und fragen, ob es das sei, was wir wollen. Aber das wollen wir nicht. Also zahlen wir.

Nun ist es allerdings so, dass das Kollateral-Prinzip zur politischen Linken kein gänzlich Unbekanntes ist. Mit „Kollateral-” beginnt für viele z.B. alles, was Russland in der Ukraine und in Syrien tut. Das sind Folgefehler, also keine echten Fehler. Russland hat keine andere Wahl. Was total praktisch ist, weil die politische Linke ansonsten ja gegen völkerrechtswidrige Invasionen ist. Und gegen Krieg sogar dann, wenn ein wankender Diktator seine Schutzmacht zum mitbomben einlädt.

Eine Kollateral-Flüchtlingsobergrenze, die sich auch (!) am gesellschaftspolitisch Schaffbaren orientiert, ist derweil des Teufels, wenn man manche Linke fragt. AfD, was ist das..? Grenzen auf, Party! (Sorry.)

Man kann dem aber auch etwas Positives abgewinnen. Wer „Kollateral-” sagt, ist immerhin so freundlich, das schlechte Gewissen gleich mitzuliefern. Im besten Fall. Im schlechtesten steht es als eine Art Anstands-Floskel, in der Hoffnung, keinen allzu großen Shitstorm auf sich zu ziehen.

Wofür steht es bei „Kollateral-Flüchtlingsobergrenze, die sich auch (!) am gesellschaftspolitisch Schaffbaren orientiert”..? Schwer zu sagen, oder..? Imgrunde gar nicht. Das vielleicht praktischste aller Präfixe. Ich kann die seichte Brise von Erdoğans zustimmendem Nicken förmlich spüren. Hhhhhhhhhhhhh. Spürt ihr es auch..?

6 Gedanken zu „SCHUTZGELD

  1. Hmnuja, dann wäre Bernd Ulrich bestimmt damit einverstanden, wenn in der nächsten Silvesternacht alle Männer durch die linke Tür geschickt, eingekesselt, erkennungsdienstlich behandelt, in Züge gesetzt oder gleich im Vorfeld ganz weggesperrt würden.

    Am Kölner Hauptbahnhof waren vor einem Jahr ausschließlich Männer kriminell – Männer sind also allesamt „fahndungsrelevant“. Für die Kollateral-Diskriminierung aller Männer im kommenden Jahr wären – according to Bernd Ulrich – die Täter von 2015 verantwortlich.

    Ich finde nicht, daß Linkssein und zu-Ende-denken sich zwingend ausschließen müssten, beginnend damit, daß ein zynischer Militärbegriff kein Bestandteil ziviler Sprache ist, auch nicht als halbironisches Zitat. Die Fern-Persilscheinisierungen von Heribert Prantl, Bernd Ulrich und vielen anderen – Polizei hat alles richtig gemacht – zeugen weder von seriösem Journalismus noch von politischem Verstand.
    Weil: Grundrechte sind keine Schönwetterdeko.

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    • Bin hin und her gerissen – und bleibe zwischen allen Stühlen sitzen, wie so oft. So unbequem wie immer behauptet isses hier gar nicht. Und Ulrich hat in den Antwort-Tweets auf seinen eigenen, oben verlinkten ein paar Punkte, finde ich. Vor allem die Frage, was losgewesen wäre, wenn es sich wiederholt hätte. Nichts, das in Ihrem und meinem Sinne gewesen wäre, so viel steht fest.

      Ich kenne die Lösung nicht, aber habe Ehrfurcht vor dem Problem. Es war ein Dilemma und sollte eine absolute Ausnahme bleiben. Worüber sich alle im Klaren sind, die nicht auf dem rechten Stuhl sitzen, wie ich hoffe – und einfach mal annehme. Denn Artikel 3 ist super. Schützte er endlich auch die „sexuelle Identität“ explizit, wäre er sogar noch besser.

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    • Und Ulrich hat in den Antwort-Tweets auf seinen eigenen, oben verlinkten ein paar Punkte, finde ich. Vor allem die Frage, was losgewesen wäre, wenn es sich wiederholt hätte.

      Was hätte sich denn bitte wie wiederholen können?
      2015: 140 Polizisten.
      2016: 1.700 Polizisten.

      Mir reicht wirklich, was jetzt los ist. Und zwar ohne, daß sich irgendetwas wiederholt hätte. Bis Ende 2017 wird das Grundgesetz wahrscheinlich zu einem linksradikalen Pamphlet erklärt sein, unter tätiger Mithilfe der Prantls und Ulrichs.

      Zur „absoluten Ausnahme“ könnte man PoC befragen. Für die ist racial profiling durch die Polizei Alltag. Es ist nicht zu fassen, daß bereits die Diskussion über Rassismus bei der Staatsgewalt unterbunden wird.

      Denn Artikel 3 ist super. Schützte er endlich auch die „sexuelle Identität“ explizit, wäre er sogar noch besser.

      Ja. Es ist beschämend, daß Artikel 3+ unerfolgreich blieb und Homosexuelle dazu gezwungen wurden, sich wegen jeder Grundrechtsverletzung einzeln durch die Instanzen zu klagen.

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  2. „Was hätte sich denn bitte wie wiederholen können? 2015: 140 Polizisten. 2016: 1.700 Polizisten.“

    Sicher ist das viel. Sogar viel zu viel. Aber es sind auch viele hunderttausend Menschen in Kölns Innenstadt an Silvester unterwegs – und sie wollten zu 101% sicher stellen, dass sich #Silvester2015 nicht wiederholt. Und sei es ’nur‘, um Merkels „Wir schaffen das“ rund um den Dom nicht noch einmal Lügen zu strafen. Was keine per se schlechte Sache ist. Und bei so viel aufgebautem Druck ist es nicht unüblich, (weit) über’s Ziel hinauszuschießen. Es ist eher die Regel. Und das alles geschah doch mit Ankündigung. Bei selbst der kleinsten, nicht-ahnbaren Übergriffigkeit hätten die einen gebrüllt. So shitstormen die anderen.

    „Bis Ende 2017 wird das Grundgesetz wahrscheinlich zu einem linksradikalen Pamphlet erklärt sein (…)“

    Die Formulierung gefällt mir. Aber: ach nein. Und Prantl schon mal gar nicht. Und Ulrich auch nicht.

    „Es ist nicht zu fassen, daß bereits die Diskussion über Rassismus bei der Staatsgewalt unterbunden wird.“

    Hier nicht. Und überall sonst lässt man sich nicht unterbinden, wenn man was zu diskutieren hat. Wo kämen wir da hin..?!

    Keine Ahnung, warum sich jetzt sogar schon Tina Hassel, ihres Zeichens Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, so hysterisch wie alle anderen per Tweet in die Diskussion mengen muss. Niggemeier hat ihr gleich das Passende dazu vor’n Kopp geknallt..

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  3. Ich wünschte, ich könnte Ihren Optimismus teilen.

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    • Ich hoffe eigentlich nicht, dass ich die Dinge optimistisch sehe. Das versaut die Analyse. Habe mir aber vorgenommen ruhiger zu bleiben und nicht jedem Tweet hinterherzumachen. Dafür hätte ich, trotz Urlaub, die Zeit ja auch gar nicht. Kenne aber schon die Überschrift von morgen. „Sofortpolitik“ :o)

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